05.08.2003 Von der Bergsteppe bei Numreg zum Salzsee Khyargas-Nuur im Becken der Grossen Seen
Charakterisierung der Landschaft
Das Becken der Grossen Seen ist eine der großen mongolischen Naturräume. Eingebettet zwischen dem mongolischen Altai und dem Khentei- Gebirge gliedert es sich in drei abflusslose Teilsenken. Im Norden beherbergt die Uvs nuur Senke den grössten Salzsee der Mongolei, den gleichnamigen Uvs nuur. Südlich dessen schliesst sich die Khargas nuur Senke, mit gleichnamigen See, dem Khar us nuur und den Khar nuur an. Im südlichöstlich gelegenen Teil des Beckens der Grossen Seen liegt die Saryn gov Senke. Das Becken der Grossen Seen ist ein Binnenentwässerungsgebiet in welchem sämtlich vorkommende Flüsse letztendlich in abflusslosen Salzseen enden. Einer der am tiefsten und sehr stark ausgesüßten Seen ist der Khargass nuur entlang unsere Route. Begleitend zu den zahlreichen großen Seen finden sich viele kleine, periodisch trockene Gewässer. Viele dieser Kleingewässer weisen starke Versalzungserscheinungen auf. Außerdem finden wir im Becken der Grossen Seen von Salzpfannen über Takyre bis hin zu Solontschaks und Solonetze alle Varianten der Bodenbildung und Bodenausprägung unter Salzeinfluss. Ursache dessen, ist die extrem niedrige Niederschlagsrate sowie die hohe Verdunstungsrate (damit einhergehend ein aufsteigender Bodenwasserstrom und die Auskristallisation der mineralischen Bodensalze). Physisch- geographisch ist das Klima der Region bedingt durch den Lee Effekte der umliegenden Gebirge sowie die vergleichsweise tiefe Lage der Region.
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Ein Zeltplatz in schöner Hanglage, zwischen Granitdurchragungen, die abwärts verlaufend, die Zelte von der Küchenecke trennen. Die aufgehende Sonne wirft lange Schatten an Telegraphenmasten, welche die vor uns liegende Ebene durchqueren. Eine Ebene, nicht unendlich weit, sondern dort hinten begrenzt von kleinen Hügelketten mit Lärchenwäldern bedeckt. Sanft abfallende, vom eigenen Schutt verflachte Herausragungen, die sich gemächlich nach Norden und Süden ausdehnen. Am Ende des Horizontes schieben sich, vom morgendlichen Dunst gefangen, die Ausläufer eines Sees ins Bild. Hell glänzend, sich abhebend im noch tiefen Stand der Sonne, Stipa grandis als Flickenmuster auf einem Untergrund grün- grauer Farbe. Auf jenem Untergrund zieht sich ein feines Netz miteinander verwobener hellgrüner Linien den Berg hinunter. Formt somit polyederartige Muster zwischen schwarz-grauen, Schatten werfenden Schotterflächen. Durch die Talebene bewegen sich mittlerweile schwarze Yaks, während ein Reiter die Telegraphenmasten passiert. Aus dem Schornstein einer Yurte, neben einem kleinem Hügel in der Mitte des Bildes, dringt Rauch, scheint unbeweglich zu verharren. Die Gruppe hat in der Zwischenzeit angefangen, im, wie gewöhnlich organisiertem Chaos, die Zelt ein- und die Busse voll zupacken. Wird dabei begleitet von Mittelwelle-Rauschen und der Gruppe Khuurd aus dem Autoradio. Sergej, in der gewohnten NIKE Sporthose, seiner Schneejeansjacke und dem Anglerhütchen schlendert durch die Gruppen. Vor der Abreise, die uns heute in Becken der Grossen Seen führen soll, erfolgt die nun schon übliche Standortsansprache. Interessiert um Sabrina stellen die Vegetation vor, während andere sich mühen im Flachgründigen und Skelettreichem Boden einen Schürf anzulegen. Ebenfalls schon üblich, begleitet von einer Kette von Konjunktiven, im ungefähren Wortlaut: „sollte, könnte, müsste, dürfte, scheint“. Die Konsensfindung erweißt sich wie gewöhnlich als nicht so einfach. Grundsatzfragen ob nach KA4, SEA, FAO oder SUCCOW angesprochen werden soll, Interpretation von Farbabstufungen und Uneinigkeit in der Klassifikation geben der Bodenansprache, wie alltäglich, einen immer wiederkehrenden Reiz.
Nachdem die Fahrt, für Sebastians Geschmack mal wieder zu spät, dann aber doch begonnen hatte, passierten wir schon kurz darauf ein kleines armseliges Örtchen. Einige wenige Holz- oder Lehmbauten, neben einer grossen Antenne der Regionalpost. Zwei, drei kleine Läden in der Vorderseite der Häuser und die nun schon obligate Reitersmänner auf ihren Pferden. Die Hügel zogen sich im Laufe des schon späten Vormittages immer mehr zurück und machten Raum für eine sehr weite Ebene, das Becken der Grossen Seen. Nicht nur dass sich die Landschaft öffnete, man merkte auch spürbar dass wir uns in tiefere Lagen bewegten. Die Wiesen- und Bergsteppe, ebenso wie die letzten Ausläufer der Larix bestände machten nun Platz einer kargen und scheinbar trockenen (Kies-) Halbwüste.
Dem engen Zeitplan Rechnung tragend, kam es während des heutigen Tages zu keinen grösseren Stopps entlang des Weges. Sicher sehr zum Bedauern einiger jener, welche länger an einer kleinen salzigen Senke oder dem Ostufer des Khargas nuur verweilt hätten. Doch mit der Aussicht auf heiße Quellen, die in unserer Karte verzeichnet waren, wurde die, wie immer demokratische, Entscheidung getroffen das Abendlager dort aufzuschlagen. Nur mussten vorher, autokratisch, einige der Teilnehmer überzeugt werden ihren Badestopp zu beenden. Die Suche nach den heissen Quellen gestaltete sich leider erfolglos. Das mag auf die Ungenauigkeit der Karte, die unpräzisen Beschreibungen des Reiseführers oder unseren Erwartungen gelegen haben. An der vermeintlichen Stelle trafen wir lediglich auf ein paar kleine, sich entlang der Strasse duckenden, Lehmbauten. Am Ufer des Sees platziert, vor dem nahen Hintergrund einer kleinen sich erhebenden Hügelkette. Vor diesen Hintergrund ein zweistöckiges Gebäude, an ein verfallendes Hotel, Sanatorium oder Wohnheim erinnernd. Umringt von einem löchrigen Holzzaunes, welcher bröckelnde Skulpturen im verwilderten Garten abgrenzte. Sergej fragte unterdessen in der lokalen Bevölkerung, die den Strand vor dem Lehmbauten bevölkerte, nach den Quellen. Doch alle Informationen, welche wir extrahieren konnten, liefen darauf hinaus, dass sich die Quellen in eben jenen verfallen Hotelgebäude befanden. Eine Aussage, die das Interesse an einem warmen Bad merklich abkühlen ließ. So wurde die Entscheidung gefunden, nur wenig weiter zu fahren, um die Zelte auf einer kleinen Landzunge, am Ufer des Sees aufzuschlagen. Eine Strand dessen Substrat aus mittelgroben Kies nahezu übergangslos in die Kieshalbwüste mündete. Das Wetter hatte sich im Laufe des Nachmittags derart gebessert, dass der See spiegelblank vor uns lag und den ein oder anderen nochmals in seine sehr kühlen Fluten lockte.
Jedoch sollte Petrus uns noch ein kleines Alltagsabenteuer bescheren an diesem Abend. Man war gerade dazu übergegangen die Zelte aufzubauen, als ein furchtbarer Wind, von einer Schlechtwetterfront vorangetrieben, unser Lager erfasste. Ein ablandiger Starkwind der Stärke 6-7 Bft. machte das Zeltaufbauen zu einem kollektiven Kraftakt ungewohnter Gruppendynamik. Pro Zelt waren sieben bis acht Leute damit beschäftigt die Häringe zu verankern, die Zeltenden zu vergraben oder die Zeltschnüren singenden Sehnen gleich zu straffen. Unsere, wie immer umsichtigen Fahrer hatten die Busse mittlerweile in U-Form geparkt, wodurch mittels einer Plane ein Windschutz geschaffen ward. Hinter eben jener verkroch sich die gesamte Truppe und lauschte dem Heulen des Windes im Konglomerat der Wagen. Der äolischen Verlagerung von Feinmaterial Rechnung tragend, war das Abendessen angereicht mit gutem, unverdaulichen mongolischen Bodensubstrat. So klang der Tag aus, an welchem Sebastian und Sabrina wieder die schwere und undankbare Bürde der Antreiber zu tragen hatten und sich damit sicher nicht beliebter gemacht haben. Doch muss den beiden an dieser Stelle ein zutiefst empfundener Dank ausgesprochen werden. Denn ohne den unermüdlichen und aufopfernden Einsatz der beiden wäre die Exkursion nie zustande und in ihrer erfolgreichen Durchführung nie so weit gekommen.
text by: S. Schmidt