29.07.2003 Die Waldsteppe im Schutzgebiet Bogd-Khan-Uul

Allgemeine Charakteristik der Landschaft

Die erste Exkursion führte uns von Ulaanbaatar zum Bogd-Uul (Bogd-Khan-Uul) dem südwest¬lichsten Ausläufer des Khentey Gebirges. Dieser Gebirgsausläufer ist in seiner Vegetationsausprägung sehr interessant, da er die südlichste Verbreitung der Taiga und einen Übergang zur Steppenzone darstellt. Steppen bedecken, vor allem in den kontinentalen Landmassiven der Nordhemisphäre, weite Flächen. Nordwärts gehen sie über die Waldsteppe in sommergrüne Laubwälder bzw. in die Nadelwälder der borealen Zone über. Südwärts werden sie meist von Wüsten und Halbwüsten abgelöst. Das größte Steppengebiet stellt die eurosibirische Steppenzone dar. Diese Zone kann nach edaphisch-klimatischen Gesichtspunkten in die osteuropäischen Steppen, die westsibirischen Steppen und die zentralasiatischen Steppen, welche vor allem in der Mongolei und im nördlichen Teil von China verbreitet sind, untergliedert werden. Die typischen Bodentypen dieser Steppengebiete sind stark humushaltige Schwarzerden, in Bereichen mit semiaridem Klima weniger stark humushaltige, daher kastanienfarben wirkende Kastanoseme.
Hier, in den Gebirgssteppen der nördlichen Mongolei, lässt sich je nach Hanglage und –neigung der Bodenwechsel und damit auch der Wechsel der Vegetation auf kleinstem Raum beobachten. Am Bogd-Uul befinden wir uns in der Zone der inselhaften Waldauflösung. Dieser Bereich wird als Waldsteppe bezeichnet.
Die untere Waldgrenze in diesem Bereich liegt zwischen 1.100 m und 1.200 m. Ulaanbaatar liegt auf 1.250 m. Das heißt, natürlicherweise würde der Wald bis ins Tal des Tuul-Flusses hinabreichen. Intensive Nutzung durch Rodung und Beweidung drängten die Waldgrenze jedoch nach oben. So begann unsere Wanderung bei etwa 1.300 m noch in einer offenen steppenartigen Landschaft. Das Gebiet um den Bogd-Uul ist ein seit 1778 geschütztes Gebiet. Deshalb wurden hier intensivere Nutzungen unterbunden. Damit handelt es sich bei dem Wald um eines der ältesten Naturschutzgebiete der Welt.

Journal

Am ersten Tag in Ulan Bator hieß es gleich zeitig aufstehen. Mit dem Bus fuhren wir zu einem der ältesten Naturschutzgebiete der Welt – dem Bogd Uul (gegr.1778). Schon die Fahrt mit dem Bus, durch diese unerwartet große Stadt, war ein Erlebnis. Erstaunlich waren die großen Kaufhäuser mit geschmückten Fassaden und die ärmlichen Jurtenvierteln nicht weit davon. An einer Ampel stand ein Jeep mit einem toten Wolf auf dem Dachgepäckträger. Vielleicht haben wir ja auch Glück – lebendige Wölfe zu sehen…!?
Wir stiegen an der Endhaltestelle aus und begannen mit dem Aufstieg. Ulan Bator liegt auf etwa 1250m. Der Gipfel des Bogd Uul liegt bei etwa 2300m. Die ersten Höhenmeter wanderten wir durch eine ziemlich stark beweidete Zone ohne jeglichen Baumbewuchs. Je höher wir stiegen, desto eindrucksvoller wurde der Blick zurück auf die Stadt. Die Holzhaus- und Jurtenviertel zogen sich weit die Hänge des „Tuul“ Tales hinauf. Die Stadt erschien uns von hier noch viel viel größer.
Bald kamen wir jedoch in einen Bereich, welcher nicht mehr beweidet wurde. Hier wuchs ein lichter Lärchenwald mit einzelnen Birken und blumenreichen Wiesen darunter. Das war also eine echte „Bunte Wiesensteppe“ mit vielen Schmetterlingen. Hartmut und Rene zeigten uns einige schöne Falter. Am auffälligsten waren die großen kräftig gefärbten Kaiserfalter und die Baumweißlinge mit ihren pergamentartigen Flügeln. Neben vielen neuen Pflanzen-Arten fanden wir viele Arten, die wir schon aus Deutschland kannten. Mit zunehmender Höhe veränderte sich der Wald. Die Lärchenzone wurde durch eine in der Krautschicht deutlich ärmere Fichtenzone abgelöst. Weiter zum Gipfel fanden wir einen Kiefernwald, der an das raue Klima, mit kurzer Vegetationsperiode und extreme Temperaturen, mit seiner Artenzusammensetzung sehr gut angepasst war. Hier liegt etwas über die Hälfte des Jahres Schnee und folglich können sich hauptsächlich Chamäphyten in der Krautschicht halten.
Uns fiel auf, dass ein Großteil der Bäume erhebliche Rindenschäden hatte. Wir rätselten eine Weile, welche Tiere solche Zerstörung anrichten könnten. Als uns dann aber große Häufen mit Zapfenschuppen und Feuerstellen daneben auffielen, war uns klar, dass hier Menschen am Werk gewesen seien mussten. Und bald fand sich auch des Rätsels Lösung. Mit riesigen Hämmern, welche aus einem Baumstamm auf zwei Stützen bestehen, werden die Bäume geschlagen, um so die Zapfen herunterzuschütteln. Diese werden im Feuer zum Platzen gebracht, um die Pinien-Kerne auslesen zu können. Das muss ein geldbringendes Geschäft sein, da fast keine Bäume ohne Rindenschäden zu finden waren.
Wir wanderten weiter durch diesen wunderschönen Taigawald, vorbei an kleinen Überrieselungsmooren mit dünnen Sphagnum- und Wollgrasdecken, über eindrucksvolle Geröllfelder bis zu einem Platz von dem wir einen wunderschönen Blick in die Täler genossen. Hier wurde uns deutlich, dass wir uns tatsächlich am absoluten Südzipfel der Taiga befinden. Den weiter im Süden war die weite Steppe ohne einen einzigen Baum zu erahnen.
Auf dem Rückweg, machte uns das GPS einen Strich durch die Rechnung. Wir sind im falschen Tal abgestiegen und kamen direkt hinter dem Präsidentenpalast herunter. Den sollten wir nach Möglichkeit aber meiden. Und der Bus fuhr von dort auch nicht zurück in die Stadt. Also mussten wir wieder über einen Kamm steigen, in der Hoffnung, dort das richtige Tal zu treffen. So war es dann auch, doch als wir oben auf dem Kamm angekommen sind, sahen wir unten im Tal unseren Bus abfahren…
Wir hatten aber Glück – es fuhr noch ein Bus zurück in die Stadt. Und so sind wir hungrig in einem Restaurant eingekehrt, wo wir die ersten „Hite-“ und „Cass-Biere“ kosten konnten.
Für mich war das ein wunderschöner und interessanter Tag .

Doch langsam wuchs die Neugier auf die weite Steppe in mir!

text by: M. Schumann